Konflikt um Wirtschaftszonen droht mit türkischen Schiffen zu eskalieren - Griechische Streitkräfte in Alarmbreitschaft, 85% der Flotte Richtung Türkei entsendet


Der Konflikt um Wirtschaftszonen eskaliert wieder einmal. Athen versetzt seine Streitkräfte in Alarmbereitschaft und fordert von der EU zum  wiederholtem Mal schärfste Sanktionen gegen Ankara.

Die Türkei kündigte Erdgasexplorationen vor der kleinen griechischen Insel Kastelorizo an – in einem Gebiet, das Griechenland als seine Wirtschaftszone beansprucht. So etwas passiert in kleinerem oder größerem Umfang immer wieder im Laufe des "Kalten Krieges" zwischen den zwei Ländern. Das türkische Forschungsschiff „Oruc Reis“ nahm Kurs auf das umstrittene Seegebiet, eskortiert von mehreren türkischen Kriegsschiffen, berichtete das griechische Staatsfernsehen ERT. Griechenland versetzte daraufhin seine Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft. Jegliche Urlaube von Militärs wurden abgebrochen da alle zum Dienst gerufen wurden. Nicht nur auf See besteht Alarmbereitschaft: auch am Evros (die Landgrenze der beiden Staaten) hat sich vorsichtshalber die Militärpräsenz erhöht. 

Der griechische Generalstabschef Konstantinos Floros brach sogar einen offiziellen Besuch in Zypern vorzeitig ab und kehrte nach Athen zurück. Wie das griechische Verteidigungsministerium meldete, überflogen am Dienstagnachmittag zwei F-16-Kampfjets der türkischen Luftstreitkräfte die Insel Kastelorizo. Genauer gesagt 15 Mal! Insgesamt gab es am Dienstag durch 15 türkischen Flugzeugen und einem Helikopter, 82 (!) Luftgrenzenverletzungen! Griechische Kampfjets "empfingen" diese und eskortierten beide wieder zurück in die Türkei. 

Nach Informationen aus griechischen Militärkreisen beobachtet man auch erhöhte Aktivitäten auf der türkischen Marinebasis Aksaz bei Marmaris. Etwa 15 Kriegsschiffe seien von dort ins östliche Mittelmeer ausgelaufen. Insgesamt sollen es nun 17 sein die Stellung genommen haben. 85% der griechischen Flotte wurde Richtung Türkei entsandt damit die Nachbarn abgeschreckt werden. 

Unterdessen traf Bundesaußenminister Maas im Außenministerium an der Athener Königin-Sofia-Straße mit seinem griechischen Kollegen Nikos Dendias zusammen um Anknüpfungspunkte für einen Dialog der beiden verfeindeten Nato-Partner zu suchen aber der Konflikt eskalierte. Dendias erklärte nach dem Gespräch, die „illegalen und provozierenden Aktionen der Türkei“ gefährdeten den Frieden und die Stabilität in der Region, den Zusammenhalt der Nato und die Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union. Maas forderte: „Das Völkerrecht muss eingehalten werden.“ Deswegen seien Fortschritte in der EU-Türkei-Beziehung „nur möglich, wenn Ankara Provokationen im östlichen Mittelmeer unterlässt“.

„Drohungen? Das kann es doch nicht sein!“, sagte Dendias rhetorisch in die Runde der Pressevertreter. „Griechenland ist offen für einen Dialog, aber unter Bedingungen“, stellte er klar. Diese Bedingungen seien etwa der Respekt der Türkei vor internationalem Recht sowie der Wille, ein gutes Verhältnis unter den Nachbarländern zu pflegen. Mit diversen Provokationen wie der Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee, der Suche nach Erdgas in zyprischen Gewässern oder dem aggressiven Verhalten eines türkischen Kriegsschiffes gegenüber einer französischen Fregatte konterkariere die Türkei diese Bemühungen. „Ankara ignoriert uns und macht einfach weiter“, äußerte Dendias seinen Unmut.

Maas pflichtete seinem Gesprächspartner bei und betonte, dass sich die Beziehung zwischen der EU und der Türkei nur dann verbessern könne, wenn die Türkei ihr Verhalten verbessere. „Die Türkei muss handeln, vor allem im östlichen Mittelmeer“, stellte Maas klar. Dabei unterstütze man den Kurs des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der Sanktionen angekündigt hatte, falls die Türkei ihre Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer weiter ausweiten sollte. Ob diese Drohung wahrgemacht wird, zeigt sich in den kommenden Tagen: Denn fast zeitgleich zur Pressekonferenz kündigte die Türkei an, östlich und südlich der griechischen Insel Kastellorizo seismische Untersuchungen mit einem Forschungsschiff durchzuführen. Die griechischen Marinestreitkräfte wurden in Alarmbereitschaft versetzt.

Am Nachmittag wurde Maas von Premierminister Mitsotakis empfangen. Der griechische Regierungschef sagte: „Die Türkei fügt der Kette ihrer aggressiven Aktionen gegenüber Griechenland und Zypern ein weiteres Glied hinzu.“

Mitsotakis fordert Strafmaßnahmen: „Sanktionen der EU gegen die Türkei sind jetzt der einzige verbliebene Weg.“ Die Türkei habe es selbst in der Hand, welche Art von Beziehungen sie mit Griechenland, mit Zypern und mit Europa haben möchte, sagte Mitsotakis. „Ich denke, jetzt zeigt sich, dass sie einen falschen Weg wählt“, so der Premier.

Kein Konflikt in Europa ist so verwickelt wie die griechisch-türkischen Streitfragen. Und nirgendwo in Europa ist das Risiko eines militärischen Konflikts größer als in der Ägäis aufgrund des ewigen Streits um die Grenzen, Hoheitszonen und Kontrollbefugnisse. Gefährlich verschärft haben sich die Spannungen, seit im östlichen Mittelmeer Erdgasvorkommen entdeckt wurden.

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan macht Griechenland und Zypern die Wirtschaftszonen streitig, die den beiden EU-Staaten nach der Uno-Seerechtskonvention zustehen. Die EU-Außenminister warnten die Türkei erst kürzlich vor „illegalen“ Erdgaserkundungen im Mittelmeer. Der Außenbeauftragte Josep Borrell bereitet Sanktionen gegen Ankara vor.
 
Erdogan beeindruckt das nicht, wie nicht nur die Explorationen vor Kastelorizo zeigen. Bereits seit dem vergangenen Samstag sucht das türkische Tiefseebohrschiff „Yavuz“ 90 Kilometer südwestlich von Zypern nach Erdgas – in einem Seegebiet, für das die Regierung in Nikosia bereits Konzessionen an die Energiekonzerne Total und Eni vergeben hat.

Im September soll sich ein EU-Sondergipfel mit dem Thema Türkei befassen. Übrigens auf deutsche Initiative (aus welchem Grund auch immer) trafen sich zwei ranghohe Gesandte aus Griechenland und der Türkei mit Jan Hecker, dem außenpolitischen Berater von Kanzlerin Angela Merkel. Man vereinbarte strikte Vertraulichkeit. Die Begegnung sollte geheim bleiben. Angeblich.

Dennoch plauderte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu das Treffen anderntags aus. Griechische Regierungskreise sehen in der Indiskretion den Versuch der Türkei, den Annäherungsprozess zu torpedieren, noch bevor er überhaupt begonnen hat. Etwas was nicht neu ist, da auch in der Vergangenheit es schon mal ähnliche Fälle gegeben hat.

Mit dem Aufkreuzen des türkischen Forschungsschiffs „Oruc Reis“ vor Kastelorizo bekommt der Konflikt eine gefährliche Dimension. Erinnerungen an den griechisch-türkischen Streit um die Imia-Inseln, zwei unbewohnte Felseneilande in der Ägäis, werden wach.

Auf dem Höhepunkt der Krise lagen bei der Inselgruppe am Nachmittag des 30. Januar 1996 fast drei Dutzend türkische und griechische Kriegsschiffe gefechtsbereit einander gegenüber. Türken hatten ihre Fahne auf die Felseneilande gestellt, auch Spezialkommandos kamen zum Einsatz. Ein griechischer Helikopter stürzte damals geheimnisvoll ab, die Besatzung (3 Offiziere der Marine) überlebte nicht. Man nimmt an dass es abgeschossen wurde auch wenn offiziell dies nicht gesagt wurde. Der Vorfall jedoch gilt in Griechenland als eine gewisse Art von Niederlage auch wegen der Intervernierung, der Opfer und da seitdem das Gebiet als "Grauzone" angesehen wird. Außerdem führte das Geschehen zu einem rasanten Anstieg von Militärrüstungen.

In nächtlichen Telefonaten mit Athen und Ankara gelang es dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton, den Konflikt in letzter Minute zu entschärfen. Ob Trump dies machen würde, bleibt fraglich, manchen Journalisten zufolge. Diesmal könnte die... deutsche EU-Präsidentschaft als Krisenfeuerwehr gefordert sein, so das Handelsblatt. 


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